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Vibraphone Solo in four part(s)

REVIEWS

Vibraphonist, Perkussionist, Komponist, Lehrer und Gesamtkünstler – das ist Sergio Armaroli. Er brilliert auf der aktuellen Veröffentlichung mit einem vierstimmigen Solo. Für den einen oder anderen Hörer mag das Vibrafon – es gehört wie Schlagzeug und Marimbafon zur Familie der Schlagwerke – ein eher sprödes Instrument zu sein. Zugleich ist es im Jazz und auch in der klassischen Gegenwartsmusik eher ein „Außenseiter-Instrument“. Daran ändern auch die Vibrafonvirtuosen Lionel Hampton, Milt Jackson oder Gary Burton nichts. Selbst bei Einsatz des Pedals hat das Spiel auf den metallenen Klangstäben keinen vollen Nachhall. Kurz mit den Schlägeln angetippt entwickeln die Klangstäbe nur einen kurzwelligen Ton. Zudem klingt er nicht abgerundet, sondern eher spitz und metallisch, also eher nach Industrial Noise. Doch hier und da scheint es auch eine Ähnlichkeit zu den Tönen zu geben, die auf einer Glasharfe zu erzeugen sind. Und wer bei dem Klang an das Brechen von Eisflächen oder Eiszapfen denkt, liegt nicht gar so falsch, oder?

Nun also liegt ein Soloprojekt vor, das gänzlich auf ein Lamellophon fokussiert ist. Der Vibrafonist findet für seine Musik und Spielweise nachfolgende Worte: „ … Ich erlaube mir, mich in jeder möglichen Note zu verlieren und mich dann in einem schillernden harmonischen Feld wiederzufinden, in Bewegung: wahrscheinlich, imaginär. Ich konstruiere Sätze im Dialog mit mir selbst: andere, aber immer innerhalb des Instruments, das mich begleitet….“ Übrigens Jazz begreift  Sergio Armaroli als "eine richtig experimentelle Haltung“. So sind auch die vorliegenden Aufnahmen Klangcollagen und nicht auf die Schönheit der Melodie ausgerichtet. Eher spürt man in den verschiedenen Teilen des Gesamtwerks, ein Suchen, ein Versuchen, ein Probieren, ein Verwerfen und ein Annehmen. Dabei entstehen durchaus Klangbilder, die an Stromschnellen erinnern, an Kristallines und Prismatisches, so wie wir das beispielsweise in den malerischen Arbeiten Lyonel Feiningers entdecken können.

Das, was wir hören, scheint reine Improvisation und aus dem Moment geboren. Dabei ergeben sich durchaus Linien und verbundene Kettenglieder des Klangs. Tänzerisches scheint in die Tonsilben-Bündelungen einzufließen, so auch im ersten Teil der Solopräsentation. So hat man beim Hören das Bild vor Augen, eine Primaballerina würde im Spitzentanz über die Bühne huschen oder auf einer Treppenstraße oder Stuttgarter Stiege unterwegs sein. Ein anderes Bild, das sich beim Hören aufdrängt, sind fallende Dominosteine oder auch ein Bündel von Klangstäben, die der Wind zufällig in Schwingungen bringt. Doch dem Zufall überlässt der Vibrafonist gewiss nichts, wenn er denn im Verlauf der Solostücke ein perlendes Spiel an den Tag legt, wenn er Klangkaskaden erzeugt, wenn er rasch Klangtropfen an Klangtropfen fügt oder einen Vorhang rieselnder Tonsilben schafft. Tieftöniges ist dabei eine Seltenheit. Diskantes hingegen drängt sich nachhaltig auf.

Wir werden Zeuge einer Klangarchitektur, die mit Klangsäulen experimentiert. Teilweise gibt es Anlehnungen an Sphärisches, ohne Ambient Music zu präsentieren. Der erste Teil der Solopräsentation ist im Übrigen nicht frei von redundanten Formen. Gelegentlich muss man beim Zuhören an den Klang eines fein gestimmten Glockenspiels denken. Schlägel-Turbulenzen sind ohne Frage wahrzunehmen. An ein Kirchenlied oder eine Ballade in modernistischem Gewand erinnern Teile des zweiten Solos. „Springende Klänge“ machen Teil des Vortrags aus. Kristallines Blop und Blonk dringen ans Ohr des Zuhörers. So wie das Rattern eines Zugs über die Bahnschwellen einen spezifischen Klang besitzt, so ist auch der Klang des zweiten Solos. Beim Hören fallen dem einen oder anderen u. U. Assoziationen zu einer Achterbahnfahrt ein. Momente von Geschwindigkeit scheinen mit ihm Spiel zu sein, Bewegung ohne Frage, so wie sie auch die italienischen Futuristen in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts in Bildformen brachten. Kontemplatives ist fern. Es ist im Spiel nachhaltig ein Vorwärts zu identifizieren. Beinahe nahtlos schließt sich das dritte Solo an. Dabei scheint es so, als würden Mosaike an Mosaike gesetzt. Nur Farbvariationen unterscheiden die gesetzten Fragmente. Im Verlauf des Solos muss man vermehrt an Wasserspiele mit unterschiedlich hoch schießenden Fontänen denken. Zugleich suggeriert das Klangbild, dass die Klänge kaskadierend wie Wasser von einer Terrasse auf die nächste fließt. Eher mit landwelligen Klangbildern wartet schließlich das vierte Solo auf.

© ferdinand dupuis-panther

Solitario e raccolto, ma di tono più aperto, è poi Vibraphone Solo in Four Part(s) (Dodicilune) di Sergio Armaroli, quanto mai prolifico in questi anni

Alberto Bazzurro